Anknüpfen und Weiterentwickeln


In der Geschichte der abendländischen Zivilisation stehen die Künste bis zum 18. Jahrhundert durchwegs in Abhängigkeit von Kirche oder aristokratischer Oberschicht (einschränkend sei gleich hier auf das fundamentale Element von Folklore und Kunsthandwerk verwiesen). Mit der Aufklärung und den bürgerlichen Revolutionen, speziell der Französischen Revolution und ihren Folgen, wird im 19. Jhdt. das Bürgertum immer stärker zum Träger und Mäzen der „Hochkultur“. Parallel dazu findet eine Erweiterung der Begriffe statt: Kunst ist nicht mehr nur Luxus und Schmuck (etwa als Ausdruck einer aristokratisch-philosophischen Lebensart), sie wird auch zunehmend Gemeingut, sogar Handelsgut mit allen Folgen.

Es tritt auch eine frühe Art merkantilistischer Unterscheidung zwischen „Arbeitern“ (Musiker und Komponisten) und „Unternehmern“ (Konzert-veranstalter und Impresarios) auf. Erst mit dem Gleichheitsgrundsatz der modernen Demokratie, insbesondere mit den egalitären Forderungen des Sozialismus jedweder Prägung, erwächst der umfassende Anspruch, wirklich allen Bevölkerungsschichten den Zugang zu den Reichtümern der Welt zu eröffnen. Dies schließt naturgemäß den Zugang zu Bildung und den höchsten Werten humanistischer Kultur ein. Gerade die österreichische Sozialdemokratie hat bereits in ihren Aufbaujahren ab 1905 auf dem Gebiet der Arbeiterbildung von vornherein höchste Maßstäbe gesetzt.

Das erste „Arbeitersinfoniekonzert“ findet am 29.12.1905 im Wiener Musikverein statt. 1919 wird die Sozialdemokratische Kunststelle gegründet; ihr Leiter, Dr. David Josef Bach, vermag Künstler wie Schönberg und Webern für die gemeinsame Sache zu gewinnen und bietet 15 Jahre lang ein hoch ambitioniertes Programm auf allerhöchstem Niveau, neben Klassikern bewusst auch die aktuelle Moderne, insbesondere die Zweite Wiener Schule und ihre Vertreter einbeziehend. Am Vorabend zum österreichischen Bürgerkrieg, am 11.2.1934, findet das vorläufig letzte Arbeiter-konzert statt. Es folgen elf Jahre Diktatur, Krieg, Emigration. Nach 1945 schaffen die Ideologien der Besatzer und der Kalte Krieg völlig neue Bedingungen. Das Bildungsideal wird zur Teilhabe an bestehenden bürgerlichen Strukturen umformuliert.

Unsere Gruppe, der Verein arbeiter.innen.konzerte, bezieht sich bewusst auf diese Geschichte. Wir glauben, dass der gegenwärtigen, bedauerlichen Tendenz zur Verflachung und Vereinzelung entgegengetreten werden muss. Nach wie vor gilt es, der breiten Mehrheit der Bevölkerung den fehlenden Zugang zum Reichtum der Kultur im höchsten Sinn zu ermöglichen. Wir halten den Bedarf für gegeben; aber die Hindernisse sind subtiler und vielfältiger Natur. Konzerte in den Gemeindebauten, in den ursprünglich für Veranstaltungen gedachten Räumen, wollen zu den Menschen gehen und ohne hohe Schwelle ein Angebot schaffen, welches Kunst, Kommunikation und Integration mit einschließt. Am 29. Dezember 2005, zum 100. Jubiläum, starteten wir mit einem ersten Programm im Karl Marx-Hof, Heiligenstadt…Unser Dank an dieser Stelle allen Unterstützern, den Verantwortlichen in den Gemeindebauten und dem inspirierenden Publikum.


 

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